Der
BGH hat beschlossen, dass für die Straftat eines Rechtsanwalts, der
den Tatbestand der Untreue ausschließlich dadurch verwirklicht, in
dem er pflichtwidrig dem Mandanten oder einem Dritten zustehende
Gelder nicht weiterleitet, sondern auf seinem Geschäftskonto
belässt, die Strafmilderungsvorschrift des § 313 Abs. 2 StGB
zugutekommt. Die Unterscheidung zwischen den Begehungsformen der
Untreue durch aktives Tun oder Unterlassen hat sich daran zu
orientieren, ob zu dem bloßen Gelderhalt ein Tätigwerden des
Rechtsanwalts, wie zum Beispiel dem Verwenden des Geldes zu eigenen
Zwecken oder dem Ableugnen des Zahlungseingangs hinzutritt oder sich
der Vorwurf im bloßen Untätigbleiben nach Zahlungserhalt erschöpfe.
Wissenswertes und Neuigkeiten zu rechtlichen Themenbereichen - Erläuterungen von Fachbegriffen - Aktuelles und Spannendes zu den Rechtsgebieten Strafrecht, Jugendstrafrecht, Arbeitsrecht, Verkehrsrecht, Zivilrechtliche Streitigkeiten, Bußgeldverfahren und auch anderen Tätigkeitsbereichen von Rechtsanwalt Axel F. Schierholz aus Berlin (Mitte - Moabit - Tiergarten).
Mittwoch, 25. November 2015
Freitag, 13. November 2015
Zweimal Interessantes vom BHG
- Der Bundesgerichtshof hat zur Stoffgleichheit zwischen erstrebtem Vermögensvorteil und Betrugsschaden beschlossen, dass es an einem stoffgleichen Vermögensvorteil fehlt, wenn durch die vorhersehbare und auch vom Angeklagten vorhergesehene Nichterfüllung eines Kfz-Kaufvertrags lediglich ein Schaden in Höhe der Überführungskosten entsteht. Eine Strafbarkeit wegen Betruges scheidet dann aus.
- Der BGH hat beschlossen, dass der maßgebliche Anknüpfungspunkt für den Tatbestand der Untreue bereits die Speisung einer schwarzen Kasse sei. Der spätere Mittelabruf aus dieser schwarzen Kasse sei zur Verwirklichung des Untreutatbestands rechtlich irrelevant.
Labels:
Betrug,
Kaufvertrag,
Stoffgleichheit,
Strafbarkeit,
Untreutat,
Vermögensvorteil
Dienstag, 3. November 2015
Bundesgerichtshof zum Thema Drohungscharakter und Betrug im Internetversandhandel
- Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass auch eine bloße „Warnung“ Drohungscharakter haben kann. Abgrenzung von Warnung und Drohung sei ebenso aus der Sicht des Empfängers zu bestimmen, wie die Frage, ob das angekündigte ein empfindliches Übel sei. Das in Aussicht stellen einer Strafanzeige in einem anwaltlichen Mahnschreiben kann in diesen Fällen ein besonderes Gewicht erlangen. Ebenso wie die Position des Bedrohten das Gewicht einer Drohung mindern kann, kann das Gewicht einer Drohung durch die berufliche Stellung des Drohenden erhöht werden.
- Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass in den Urteilsgründen zum Betrug zum Nachteil eines Internetversandhandels grundsätzlich festzustellen und darzulegen ist, welche irrigen Vorstellungen diejenige Person hatte, die die Vermögensverfügung getroffen hat. Es sei daher zwingend erforderlich, die irrende Person zu ermitteln und in der Hauptverhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen.
Labels:
Bundesgerichtshof,
Drohung,
Internetversandhandel,
Warnung
Montag, 19. Oktober 2015
Verdeckter Ermittler im Drogengeschäft
Das
OLG Bamberg hat im Hinblick auf Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der
europäischen Menschenrechtskonvention beschlossen, dass der
Grundsatz des fairen Verfahrens dann verletzt sein kann, wenn das im
Rahmen einer Tatprovokation durch eine von der Polizei geführte
Vertrauensperson angesonnene Drogengeschäft nicht mehr in einem
deliktsspezifisch angemessenen Verhältnis zu dem gegen den
provozierten, stehenden Tatverdacht steht.
Wenn
ein verdeckter Ermittler oder eine Vertrauensperson der Polizei an
einem Drogengeschäft mitwirkt, so stellt diese staatliche Mitwirkung
am Drogengeschäft stets einen bestimmenden Strafmilderungsgrund dar.
Bei einem so erfolgten Betäubungsmittelscheinkauf darf sich das
tatrichterliche Urteil nicht auf die Mitteilung der reinen Verkaufs-
und Übergabeverhandlungen nebst Mengen- und Preisangaben
beschränken. In diesen Fällen ist für die Bestimmung des
individuellen Schuldgehalts stets eine in sich geschlossene und damit
aussagekräftige Darstellung der unter polizeilicher Mitwirkung
erfolgten Scheinkäufe und aller sonstigen relevanten Begleitumstände
unverzichtbar. Dies gilt insbesondere für die ursprüngliche
Tatgeneigtheit des Verdächtigen, die Modalitäten der
Geschäftsanbahnung und die Intensität der Einwirkung auf den
Angeklagten.
Dienstag, 13. Oktober 2015
Interessante Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 13.10.2015
Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zum Schadensersatz dem Grunde nach wegen Nichtnominierung des Dreispringers Charles Friedek für die Olympischen Spiele 2008 in Peking.
Der Kläger, der seit dem Jahr 1997 professioneller Leichtathlet in der Disziplin Dreisprung war, fordert von dem beklagten Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), einem eingetragenen Verein, Schadensersatz, weil dieser ihn nicht als Leichtathlet für die Olympischen Sommerspiele in Peking (15. bis 24. August 2008) nominiert hat.
[...]
Der unter anderem für das Vereinsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts zurückgewiesen. Der Beklagte ist als Monopolverband zur Nominierung von Athleten, welche die vom Beklagten selbst gestellten Nominierungsvoraussetzungen erfüllen, verpflichtet. Diese Pflicht hat der Beklagte schuldhaft verletzt, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Nominierungsrichtlinien des Beklagten bei dem gebotenen objektiven Verständnis dahin auszulegen, dass der Kläger die Olympianorm im Dreisprung mit dem zweimaligen Erreichen der B-Norm in einem Wettkampf erfüllt hatte. Im weiteren Verfahren wird das Landgericht nunmehr über die Höhe des dem Kläger dem Grunde nach zustehenden Schadensersatzanspruchs zu entscheiden haben.
LG Frankfurt - Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2-13 O 302/10 (CaS 2012, 67) OLG Frankfurt - Urteil vom 20. Dezember 2013 - 8 U 25/12 (SpuRt 2014, 74 = CaS 2014, 48) ____________________
Quelle:
Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe Telefon (0721) 159-5013 Telefax (0721) 159-5501
Mittwoch, 7. Oktober 2015
Haftbefehl und Haftgrund
- Das Oberlandesgericht Hamm hat beschlossen, dass der Erlass eines Haftbefehls gegen einen Beschuldigten, dessen Strafhaft in anderer Sache in Kürze endet, dann unverhältnismäßig ist, wenn während der Strafhaft in anderer Sache genügend Zeit zur Verfügung gestanden hatte, um das Strafverfahren, in welchem der Haftbefehl erlassen werden soll, voraussichtlich rechtskräftig abzuschließen und in dieser Zeit das Verfahren aus der Justiz zuzurechnenden Gründen nicht hinreichend gefördert wurde.
- Der Haftgrund der Verdunklungsgefahr erfordert, dass die konkrete Gefahr droht, dass die Ermittlungen der Wahrheit durch Handlungen des Beschuldigten erschwert wird. Daran fehlt es regelmäßig, wenn die Beweise bereits so gesichert sind, dass ein Beschuldigter die Wahrheitsfindung grundsätzlich nicht mehr behindern kann. Bei der Gefahr der Einflussnahme auf Zeugen kann dies insbesondere dann angenommen werden, wenn eine richterlich protokollierte Aussage des jedenfalls im Vernehmungszeitpunkt unbeeinflussten Zeugen bereits vorliegt.
Labels:
Beschuldigter,
Haftbefehl,
Haftgrund,
Oberlandesgericht,
Strafverfahren
Freitag, 2. Oktober 2015
Haftbeschwerde während der Hauptverhandlung
Erhebt
ein Angeklagter während laufender Hauptverhandlung eine
Haftbeschwerde und begründet diese damit, dass nach der bisherigen
Beweisaufnahme der dringende Tatverdacht entfallen sei, so muss das
erkennende Gericht, wenn es der Haftbeschwerde nicht abhelfen will,
sich mit dem Vortrag des Angeklagten in seinem Nichtabhilfebeschluss
auseinandersetzen. Nur dann ist dem Beschwerdegericht die
uneingeschränkte Überprüfung der angefochtenen Entscheidung
möglich. Es muss in die Lage versetzt werden, dass mitgeteilte
Ergebnis auf einer vertretbaren Bewertung der zurzeit für und gegen
einen dringenden Tatverdacht sprechenden Umstände einzuschätzen.
Mittwoch, 30. September 2015
Haftgrund Wiederholungsgefahr
Das
Kammergericht hat zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr beim Betrug
entschieden, dass Betrugstaten nur dann als Anlasstaten im Sinne des
§ 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO in Betracht kommen, wenn sie
hinsichtlich ihrer Art der Tatausführung oder des Umfangs des
verursachten Schadens in ihrem Schweregrad in etwa einem besonders
schweren Fall des Diebstahls gemäß § 243 StGB entsprechen.
Ein
tatsächlicher oder erstrebter Vermögensschaden von knapp 1.800,00 €
zum Nachteil eines Versandhandelsunternehmens qualifiziert somit
weder den Schweregrad der Tat, noch deren Unrechtsgehalt als
überdurchschnittlich.
Labels:
Anlasstat,
Betrugstat,
Diebstahl,
Kammergericht,
StGB,
Vermögensschaden
Freitag, 25. September 2015
Bedingter Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit?
Die
Grenze zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit liegt
eng beieinander. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die
Merkmale der inneren Tatseite in jedem Einzelfall besonders geprüft
und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden müssen. Geboten
sei eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände.
Wenn
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Angeklagter eher auf
das Ausbleiben eines Taterfolgs vertraut hat, als ihn gleichgültig
hinzunehmen, so muss sich der Tatrichter nachvollziehbar damit
auseinandersetzen, bevor er von einem billigenden Inkaufnehmen
ausgeht.
Labels:
Fahrlässigkeit,
Inkaufnahme,
Tatumstand,
Vorsatz
Donnerstag, 10. September 2015
Der Bundesgerichtshof zum Totschlag und Körperverletzungsvorsatz
Der
Bundesgerichtshof hat zum minderschweren Fall des Totschlags
ausgeführt, dass eine für sich gesehen nicht als gravierend
einzustufende Provokation dann als „schwer“ zu bewerten ist, wenn
sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen
der „Tropfen“ war, der das „Fass zum Überlaufen brachte“.
Der
Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das starke Schütteln eines
Säuglings nicht zwingend einen Körperverletzungsvorsatz
dokumentiert. Obwohl allgemein bekannt ist, dass das starke Schütteln
eines zwei Monate alten Säuglings zu einer erheblichen
Beeinträchtigung seiner Gesundheit und sogar zu lebensgefährdender
Gesundheitsbeschädigung führen kann, kann ein
Körperverletzungsvorsatz zu verneinen sein. Dies gilt dann, wenn der
Täter sich in der konkreten Tatsituation aufgrund seiner kognitiven
Einschränkungen dieser Gefahr nicht bewusst war und diese sich für
ihn aufgrund der ersten unkontrollierten Bewegung des kindlichen
Kopfes auch nicht erschloss.
Dienstag, 1. September 2015
Psychische Ausnahmesituationen oder Störungen
Psychische
Ausnahmesituationen oder Störungen können neben einer
Beeinträchtigung der Erkenntnisfähigkeit dazu führen, dass der
Täter die von seinem Handeln ausgehende Lebensgefahr für das Opfer
unzutreffend beurteilt.
Wenn
eine lebensgefährliche Wahltat spontan, unüberlegt und in
affektiver Regung ausgeführt wird, so kann laut BGH aus dem Wissen
um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der
sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden
Besonderheiten auf eine billige Inkaufnahme des Erfolgseintritts
geschlossen werden.
Montag, 24. August 2015
Spannendes aus den Gerichten
- Das OLG Hamburg hat beschlossen, dass eine inhaltlich unzutreffende oder unzureichende Mitteilung über außerhalb der Hauptverhandlung und in Abwesenheit des Angeklagten geführte Erörterungen grundsätzlich dessen Verteidigungsposition berührt. Aus diesem Grunde kann das Beruhen des späteren Urteils auf diesem Rechtsmangel nicht ausgeschlossen werden; es liegt ein Revisionsgrund vor.
- Für die Beurteilung einer bewussten Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit eines Opfers beim Tötungsversuch ist nach Meinung des BGH`s grundsätzlich auf die Lage zu Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs und damit den Eintritt der Tat in das Versuchsstadium abzustellen. Hängt die Umsetzung des geplanten Tötungsverhaltens jedoch noch vom Eintritt der Bedingung ab, das Opfer werde den Täter beispielsweise wieder abweisen, so scheidet das Mordmerkmal der Heimtücke aus.
- Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass eine Zurechnung eines von einem Mittäter verwirklichtem Mordmerkmals – hier die niedrigen Beweggründe – nach § 25 Abs. 2 StGB auch dann nicht möglich ist, wenn insoweit „Solidarität“ festgestellt wurde.
Labels:
Bundesgerichtshof,
Oberlandesgericht,
Revisionsgrund,
Solidarität,
Tötung,
Vorsatz
Donnerstag, 20. August 2015
Mündliche Äußerungen unter Verwendung von Notizen oder eines Manuskripts
Der
Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass es einem Angeklagten
grundsätzlich gestattet ist, seine mündlichen Äußerungen unter
Verwendung von Notizen oder eines Manuskripts abzugeben. Im
vorliegenden Fall war dem Angeklagten die Verlesung eines von ihm
angefertigten mehrseitigen Manuskripts vom Vorsitzenden einer Kammer
des Landgerichts Frankfurt am Main untersagt worden, „weil
dies nicht als Teil der Vernehmung anzusehen sei“.
Der BGH hat nun entschieden, dass dies rechtsfehlerhaft war.
Labels:
angeklagter,
Landgericht,
mündliche Äußerung,
Vernehmung
Freitag, 14. August 2015
Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus
Bei
der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus führt nicht
automatisch jede therapeutische Schwierigkeit und nicht jedes
weisungswidrige Verhalten des Untergebrachten im Rahmen seiner
Therapie zu der Erwartung, er werde in der Freiheit erneut rückfällig
werden. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat beschlossen, dass die
Fortdauer einer aus Anlass eines sexuellen Kindesmissbrauchs
angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Landeskrankenhaus
eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erneuter Missbrauchstaten
erfordert. Nur geringfügige Regelverstöße im Rahmen des
Behandlungsverhältnisses vermögen die Fortdauer der Unterbringung
nicht zu rechtfertigen, soweit sie nicht geeignet sind, die Erwartung
zu begründen, der Untergebrachte werde erneut Kinder missbrauchen.
Mittwoch, 5. August 2015
Interessantes aus den Oberlandesgerichten
- Das Oberlandesgericht Bremen hat beschlossen, dass die Auslieferung eines Inhaftierten nach Bulgarien unzulässig ist, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die dort in der Untersuchungshaft oder auch Strafhaft zu erwartenden Haftbedingungen den völkerrechtlichen Mindeststandards nicht genügen. Ergänzend hierzu führt das Oberlandesgericht Celle aus, dass eine Auslieferung dann unzulässig sei, wenn die Zustände im Zielland die fundamentalen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung oder völkerrechtlich verbindliche Mindeststandards auf dem Gebiet der Menschenrechte nicht erfüllt.
- Das Oberlandesgericht Nürnberg hat entschieden, dass beim Zusammentreffen der Vollstreckung von Freiheitsstrafen mit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus unterschiedlichen Erkenntnisverfahren der Heilung des Verurteilten deutlich Vorrang vor dem Strafaspekt einzuräumen ist. So ist ein Straftäter möglichst schnell einer therapeutischen Behandlung zuzuführen, auch wenn bereits widerrufene Strafreste noch zu vollstrecken sind.
Donnerstag, 30. Juli 2015
Anspruch auf Übersetzung in die Muttersprache
Ein
Angeklagter hat stets Anspruch auf Übersetzung der gegen ihn
gerichteten Anklageschrift. Er hat das Recht, innerhalb möglichst
kurzer Zeit in seiner Muttersprache in allen Einzelheiten über Art
und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen unterrichtet zu
werden. Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass dies
grundsätzlich schon vor der Hauptverhandlung zu geschehen hat und
auch in dem Fall, in welchem dem Angeklagten ein Verteidiger
beigeordnet wurde. Eine mündliche Übersetzung der Anklageschrift
genüge nur in Ausnahmefällen. Dies dann, wenn der
Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfacher Art sei.
Dienstag, 14. Juli 2015
Neues vom Bundesgerichtshof
- Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es unzulässig ist, wenn ein Tatgericht die Zulässigkeit der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten auf § 231 Abs. 2 StPO stützt, wenn dasselbe Gericht dem Angeklagten zuvor die weitere Teilnahme an seiner Hauptverhandlung freigestellt hat.
- Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass der Schriftverkehr zwischen einem inhaftierten Angeklagten und seinem Strafverteidiger keiner Kontrolle unterliegt, sofern ein Mandatsverhältnis besteht und das Schriftstück auch als „Verteidigerpost“ gekennzeichnet ist. Eine Kontrolle des Schriftverkehrs zwischen Verteidiger und Angeklagtem darf nur im Hinblick darauf erfolgen, ob es sich nach äußeren Merkmalen tatsächlich um Verteidigerpost handelt. Ein Öffnen der als Verteidigerpost gekennzeichneten Sendungen ist selbst in Fällen des Missbrauchsverdachts unzulässig. Begründete Zweifel an der Verteidigerstellung dürfen lediglich dazu führen, dass das Schriftstück ungeöffnet zurück gesandt wird.
Labels:
angeklagter,
Gericht,
StPO,
Strafverteidiger,
Verteidigerpost
Montag, 6. Juli 2015
Unterlassen der Beschuldigtenbelehrung
Wenn
Strafverfolgungsbehörden wegen eines sich „verdichtenden
Verdachts“ andere Behörden um Mitteilung zusätzlicher
Verdachtsmomente bitten, so liegt hierin ein die
Beschuldigteneigenschaft begründender Willensakt.
Der
Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ab diesem Moment die
Schutzbestimmungen des Beschuldigten aus § 163a Abs. i. V. m. 136
Abs. 1 Satz 2 StPO greifen und nicht umgangen werden dürfen. Soweit
ein Tatverdächtigter vor diesem Hintergrund als Zeuge vernommen
wird, führt das Unterlassen der Beschuldigtenbelehrung zu einem
Beweisverwertungsverbot der Äußerungen aus dieser Vernehmung.
Donnerstag, 21. Mai 2015
Erpressung einer Prostituierten
Der
Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Erpressung einer
Prostituierten dergestalt, dass ihr der Verzicht auf das ursprünglich
vereinbarte Entgelt abgenötigt werden soll, nur dann in Betracht
kommt, wenn die abgesprochene sexuelle Handlung zuvor einvernehmlich
erbracht worden ist. Entgegen den Willen der Prostituierten
erzwungenen Geschlechtsverkehr kommt kein Vermögenswert im Sinne des
§ 253 Abs. 1 StGB zu. Die erfolgte Rechtsgutverletzung pflegt sich
in diesen Fällen allein in einem Angriff auf die sexuelle
Selbstbestimmung der betroffenen Frau nieder.
Labels:
Erpressung,
Rechtsgutverletzung,
Strafgesetzbuch
Mittwoch, 13. Mai 2015
Weiteres zum Durchsuchungsbeschluss
Das
Landgericht Kaiserslautern hat festgestellt, dass ein
Durchsuchungsbeschluss nur dann seine verfassungsrechtlichen
Voraussetzungen erfüllt, wenn die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat
in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichend eingegrenzt
und der behauptete Tatverdacht nicht nur mit formelhaften Sätzen
begründet ist.
Montag, 4. Mai 2015
Anordnung einer Durchsuchung
Das
Landgericht Freiburg hat beschlossen, dass für die Anordnung einer
Durchsuchung das Vorliegen eines Anfangsverdachts erforderlich ist,
der die Annahme einer Straftat und damit die Einleitung des
Ermittlungsverfahrens rechtfertigt. Es ist nicht ausreichend, wenn
dieser Anfangsverdacht allein auf Erkenntnissen beruht, die aus
Telefonüberwachungsmaßnahmen resultieren, sofern sich der
Tatverdacht nicht auf eine sogenannte Katalogtat richtet.
Labels:
Durchsuchung,
Ermittlungsverfahren,
Landgericht,
Tatverdacht
Dienstag, 17. März 2015
Verhältnismäßigkeit bei Durchsuchungen im Rahmen von länger zurückliegenden Tatverdachten
Das
Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Durchsuchungen
aufgrund von bereits länger zurückliegenden Tatverdachten
grundsätzlich verhältnismäßig sind. Dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt zwar das verfassungsrechtliche
Gebot der hinreichenden Erfolgsaussicht einer Durchsuchung, jedoch
ist diesem genüge getan, wenn aufgrund kriminalistischer Erfahrung
eine Vermutung dafür besteht, dass die gesuchten Beweismittel –
beispielsweise Drogen – bei den Durchsuchungsmaßnahmen auch (noch)
aufgefunden werden können. Je länger aber der spätestmögliche
Tatzeitpunkt zurückliegt, umso höher werden die Anforderungen an
die Begründung einer gleichwohl noch bestehenden Erfolgsaussicht.
Mittwoch, 4. März 2015
Oberlandesgericht Hamburg zum Thema Bewährungswideruf
Das
Oberlandesgericht Hamburg hat festgestellt, dass ein
Bewährungswiderruf eine aktuelle Prognose erfordere. Bei der
Bewertung, ob wegen begangener neuer Straftaten die weitere
Einwirkung des Strafvollzugs unverzichtbar ist, kann sich das
Widerrufsgericht an vormals getroffenen Prognosen nicht mehr
orientieren, wenn sich die Lebensverhältnisses des Verurteilten auch
wegen der Dauer der seitdem vollzogenen Freiheitsstrafe verändert
haben, um eine bereits begonnene soziale Integration nicht nachhaltig
zu gefährden.
Mittwoch, 18. Februar 2015
Verfassungsgerichtshof zur Verwertbarkeit einer "Steuer-CD"
Der
Verfassungsgerichtshof des Landes Rheinland-Pfalz hat sich mit der
Verwertbarkeit der durch eine Privatperson illegal erlangten
sogenannten „Steuer-CD“ befasst. Danach ist die Verwertbarkeit
der „Steuer-CD“ bei der Anordnung eines Durchsuchungs- und
Beschlagnahmebeschlusses stets an dem Recht des Beschuldigten auf ein
faires Verfahren zu messen. Die erhöhten Anforderungen an ein
verfassungsrechtliches Verwertungsverbot entbinden die
Ermittlungsbehörde nicht von ihrer grundsätzlichen Pflicht nur in
rechtskonformer Art Beweise zu erheben. Das Recht des Beschuldigten
auf Unverletzlichkeit seiner Wohnung führt bei der Beantragung des
Durchsuchungsbeschlusses dazu, dass dem Richter alle
entscheidungserheblichen Tatsachen mitgeteilt werden. Dies gilt
insbesondere für die Umstände der Beweiserhebung, wenn ein
Verwertungsverbot im Raum steht. Die Wirksamkeit des
Richtervorbehalts ist grundrechtssichernd. Sie muss gewährleistet
bleiben. Hierfür haben Gerichte und Strafverfolgungsbehörden
gemeinsam Sorge zu tragen.
Labels:
Anordnung,
Recht,
Richtervorbehalt,
Steuer-CD,
Verfassungsgericht
Samstag, 10. Januar 2015
Oberlandesgericht München zur Menschenwürde und zum Persönlichkeitsrecht
Das
Oberlandesgericht München hat sich mit die Menschenwürde
verletzenden Anordnungen an den Angeklagten zur Feststellung seiner
Verhandlungsfähigkeit beschäftigt. Es hat festgestellt, dass die
Objektivierung der Verhandlungsunfähigkeit eines Angeklagten nicht
durch Anordnungen herbeigeführt werden darf, die den Angeklagten in
seiner menschlichen Würde und seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht tiefgreifend beeinträchtigen. Im vorliegenden
Fall hatte der Vorsitzende angeordnet, Erbrochenes des Angeklagten
zwecks späterer Untersuchungen durch einen Sachverständigen
aufzubewahren.
Abonnieren
Posts (Atom)